Kolumne
CSDDD oder Der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht
Die Wellen der Empörung schlagen hoch, seitdem der Bundesfinanzminister und der Bundesjustizminister letzte Woche erklärt haben, dass sie das in Brüssel ausgehandelte Ergebnis zum europäischen Lieferkettengesetz nicht mittragen. In dem für Ende dieser Woche angesetzten Abstimmungstermin im Rat wird sich Deutschland voraussichtlich der Stimme enthalten. Ob die Corporate Sustainability Due Diligence Directive es dann noch über die Ziellinie schafft, bleibt abzuwarten, scheinen jetzt doch auch andere Mitgliedstaaten ins Grübeln geraten zu sein. Was ist dran an den Bedenken?
So kurz vor Verabschiedung eines Gesetzes dem Vorhaben die rote Karte zu zeigen, ist nicht schön. Tatsächlich wäre es grundsätzlich wünschenswert, wenn sich Deutschland viel früher klar positioniert und seinen Anliegen in Brüssel Gehör verschafft. Wie oft hört man in Brüssel, dass unklar ist, was Deutschland will, so auch geschehen im Abstimmungsprozess zur CSDDD.
Die Kritik an der CSDDD
Jetzt haben die Minister also die Notbremse gezogen und in einem offenen Brief dargelegt, warum sie dieses Ergebnis nicht mittragen. Keiner der vorgetragenen Gründe überrascht oder ist neu: Der Anwendungsbereich der CSDDD ist deutlich weiter gefasst als das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, die umfassende Definition der Wertschöpfungskette ist schwierig, die zivilrechtliche Haftung ist ein Problem, auch die erheblichen finanziellen, personellen und bürokratischen Mehrbelastungen werden unter anderem genannt.
Viele dieser Punkte sind im Gesetzgebungsverfahren immer wieder diskutiert worden und es hat sich beim Thema Haftung und Wertschöpfungskette durchaus etwas in die Richtung „schlanker und praxisnäher“ bewegt. Beim Anwendungsbereich lagen noch weitergehende Vorschläge auf dem Tisch, die verhindert wurden. Die Harmonisierungsklausel der CSDDD, die für ein gewisses Level-Playing-Field auf EU-Ebene sorgt und vermeidet, dass europaweit tätige Unternehmen nicht auch noch alle nationalen Lieferkettengesetze beachten müssen, ist ein Plus. Trotzdem bleibt das Gesetz in dem Umfang der Anforderungen, die es stellt, ohne Zweifel ein dickes Brett für die betroffenen Unternehmen.
Anwendungsbereich große (?) Unternehmen
Für die richtig großen Unternehmen, die sich oft schon seit vielen Jahren dem Thema Menschenrechte in der Lieferkette widmen, scheint das Gesetz nach den verschiedenen Anpassungen an die geltenden OECD-Leitlinien im Großen und Ganzen akzeptabel – wenn der Teufel auch sicher noch im Detail steckt. Doch das Gesetz greift schon bei einer Arbeitnehmerzahl von 500 und in Hochrisikosektoren müssen schon Unternehmen mit mehr als 250 Arbeitnehmern ran. Vor allem diese kleinen Großen werden mit der Umsetzung neuer Vorschriften zu kämpfen haben – und das nicht nur wegen der CSDDD.
Der Dreiklang: EU-Taxonomie, CSRD und jetzt CSDDD
Neben dem europäischen Lieferkettengesetz gelten seit 2023 für die kleinen großen, nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen mit 250 Arbeitnehmern noch zwei weitere Schwergewichte der Nachhaltigkeitsgesetzgebung: die EU-Taxonomie und die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der Corporate Sustainable Reporting Directive inklusive der europäischen Nachhaltigkeitsstandards. Beide Gesetzesvorhaben sind hoch komplex, sehr granular und mit einem großem Umsetzungsaufwand verbunden. Darüber hinaus zeichnen sich beide Gesetzesvorhaben dadurch aus, dass es noch jede Menge Verständnisprobleme gibt. Dies zeigen beispielsweise die rund 260 Fragen, die bereits bei der EFRAG zu den europäischen Nachhaltigkeitsstandards eingegangen sind.
Mit dieser Gesetzesgemengelage, mit der bereits die ganz großen Unternehmen kämpfen, müssen sich dann zukünftig auch die kleinen Großen auseinandersetzen. Dabei handelt es sich meist um Unternehmen, die sehr schlank aufgestellt sind und in der Regel keine eigene Rechts- geschweige denn eine Nachhaltigkeitsabteilung haben. Sie stehen aktuell vor der nahezu unlösbaren Aufgabe, alle aktuellen Nachhaltigkeitsvorgaben zu verstehen, umzusetzen und einzuhalten. Ohne jede Menge internen und externen Ressourcenaufwand wird es nicht gehen: mehr Personal – was angesichts der Begehrtheit von Nachhaltigkeitsspezialisten schwierig ist, mehr Beratung, mehr Kosten – und das alles zu einem Zeitpunkt, an dem die wirtschaftlichen Perspektiven in Deutschland nun wirklich nicht als rosig bezeichnet werden können.
Die Nachhaltigkeitsgesetzgebung in der EU – zu viel, zu schnell?
Die EU hat in den letzten fünf Jahren Nachhaltigkeitsgesetze verabschiedet als ob es kein Morgen mehr gibt. Alle diese Gesetze verfolgen ohne Zweifel wichtige Anliegen, die eine breite Mehrheit der Unternehmen unterstützen und begrüßen. Dies gilt auch für das europäische Lieferkettengesetz. Es steht aber am Ende einer Wahlperiode, in der es nie Zeit gab innezuhalten, um auf das Große und Ganze zu schauen und abzuwarten, welches Gesetz denn welche Wirkung hat und wie das Zusammenspiel der ganzen Vorgaben überhaupt funktioniert. Diese unablässige Folge neuer Nachhaltigkeitsvorgaben scheint jetzt in dem Unmut bezüglich des EU-Lieferkettengesetzes zu kulminieren. Das ist bedauerlich, aber der Krug geht eben nur solange zum Brunnen, bis er bricht.
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