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Deutsches Aktieninstitut sieht bewährtes Konzernrecht durch Vorschlag der EU-Kommission in Gefahr
Alle Geschäfte mit „verbundenen Personen und Unternehmen“ müssen nach dem EU-Vorschlag künftig verbindlich von der Hauptversammlung beschlossen werden, wenn sie 5 Prozent des Unternehmenswerts entsprechen oder erhebliche Auswirkungen auf den Gewinn oder den Umsatz haben können. Dies würde z.B. auch für normale Lieferverträge zwischen Mutter und Tochter im Konzern gelten, wenn eines der Unternehmen börsennotiert ist.
„Das Ziel des Schutzes von Minderheitsaktionären ist richtig und wichtig“, so Dr. Christine Bortenlänger, geschäftsführender Vorstand des Deutschen Aktieninstituts. „In Deutschland und verschiedenen anderen Ländern wird dieses Ziel aber bereits seit langem durch ein funktionierendes und praktikables Konzernrecht erreicht.“ Der Vorschlag der EU-Kommission berge hingegen verschiedene Risiken für Unternehmen und Aktionäre.
Nach dem EU-Vorschlag könnten Geschäfte mit verbundenen Unternehmen erst abgeschlossen werden, wenn die Hauptversammlung zugestimmt hat. Dies verlangsamt Entscheidungsprozesse und hindert die Unternehmen daran, flexibel auf aktuelle Marktentwicklungen zu reagieren. Günstige Marktlagen könnten gar nicht erst genutzt werden, wenn erst eine Hauptversammlung einberufen werden muss.
Den Aktionären und damit der Öffentlichkeit wären weiterhin vertrauliche Informationen darzustellen, deren Offenlegung den Unternehmen schaden – und der Konkurrenz nutzen – kann.
Die vorgesehene Voraussetzung einer „möglichen erheblichen Auswirkung auf Umsatz und Gewinn“ ist extrem unscharf, kritisiert das Aktieninstitut, denn es handelt sich um eine Prognose. Es darf aber bei wichtigen Entscheidungen keinen Zweifel über die Zuständigkeit oder Nicht-Zuständigkeit der Hauptversammlung geben.
Der EU-Vorschlag sieht Ausnahmen für Tochterunternehmen vor, die zu 100 Prozent im Besitz der Mutter stehen. Dies hilft jedoch wenig, da in Konzernen auch niedrigere Beteiligungen bestehen, z.B. im Rahmen von Joint Ventures. Auch der im EU-Entwurf vorgesehene Vorratsbeschluss kann die Probleme nicht lösen, da die Hauptversammlung ihre Zustimmung gemäß dem Richtlinienvorschlag nur für wiederkehrende Transaktionen geben darf.
Auch für die Aktionäre ist die Regelung nicht unproblematisch. Gerade internationale institutionelle Investoren haben in der Hauptversammlungssaison wöchentlich auf mehr als 200 Hauptversammlungen abzustimmen. Um dies überhaupt bewältigen zu können, bedienen sie sich in der Regel Dienstleistern (Proxy Advisors), die die Tagesordnungen mit den Abstimmungsrichtlinien abgleichen. Dies ist natürlich bei wirtschaftlich zu beurteilenden Einzelfalltransaktionen nicht möglich.
Wenn jedes Geschäft mit einem Konzernunternehmen von der Hauptversammlung beschlossen werden müsste, würden die Tagesordnungen in Europa explodieren. Angesichts dessen fragt sich, wie diese Transaktionen mit der gebotenen Sorgfalt geprüft werden können. Schließlich hat die Zustimmung der Aktionäre haftungsbefreiende Wirkung für Vorstand und Aufsichtsrat, so dass die neue Regelung den Aktionären sogar schaden kann.
„Es fragt sich, ob der EU-Kommission wirklich die Konsequenzen ihres Vorschlags bewusst sind“, fasst Christine Bortenlänger die Kritik zusammen. „Viele Mitgliedstaaten haben den Minderheitenschutz in Unternehmensgruppen bereits praktikabel geregelt. Die bestehenden Lösungen zu ignorieren und durch eine andere Regelung zu ersetzen, ist bedenklich. Konzernsachverhalte müssen von der geplanten Regelung ausgenommen werden.“
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