Kolumne
EU-Listing-Act: Durchbruch für die EU-Kapitalmärkte?
Mit der Kapitalmarktunion will die Europäische Kommission den Zugang der Wirtschaft zu Kapital verbessern. Der EU-Listing-Act, der gerade von der Europäischen Kommission konsultiert wird, soll dem Projekt zum Durchbruch verhelfen. Das Prospekt- und Marktmissbrauchsrecht spielen hierbei eine wichtige Rolle.
EU-weit sinkt die Zahl der börsennotierten Unternehmen, weil Unternehmen die Börse verlassen und nicht genügend Unternehmen nachkommen, um diese Entwicklung aufzuhalten. Die Börse als Finanzierungsmotor für Wachstum, Innovationen und Beschäftigung stottert.
Länder außerhalb der EU haben auf ähnliche Probleme mit einem Feintuning der Börsenregeln reagiert. So erleichtert der US-JOBS-Act von 2012 den Börsengang. Wachstumsunternehmen können bis zu fünf Jahre nach dem Börsengang von Regulierungsausnahmen profitieren. Auch die britische Aufsichtsbehörde FCA hat Ende letzten Jahres Regelungsänderungen vorgenommen, die den Börsenstandort London attraktiver machen. Dazu gehören unter anderem Mehrstimmrechte, die insbesondere in innovativen Unternehmen sehr beliebt sind.
Dass die europäische Börsenregulierung vergleichsweise unattraktiv ist, zeigen auch Entscheidungen von Unternehmen wie BioNTech oder CureVac, die nicht in Frankfurt, sondern in den USA an die Börse gegangen sind. Damit die europäischen Börsenplätze gegenüber dem Ausland nicht noch mehr an Boden verlieren, muss der EU-Gesetzgeber jetzt handeln.
IPOs made in Europe müssen attraktiver werden
Offensichtlich hat die EU-Kommission die Zeichen der Zeit erkannt. Mit dem EU-Listing-Act stößt sie eine Diskussion an, wie der Börsengang und die Börsennotiz erleichtert werden können. Im Fokus der Konsultation stehen junge, dynamisch wachsende Unternehmen, die letztendlich die Arbeitsplätze von morgen stellen. Doch der EU-Gesetzgeber sollte auch die umfassende Kapitalmarktregulierung für größere Unternehmen in den Blick nehmen, die eine Reihe unklare und bürokratische Vorgaben beinhaltet.
Hier gibt es viel zu tun, hat doch die Politik das Regelwerk für die Kapitalmärkte in den letzten Jahren immer weiter ausgedehnt. Ziel war es, den Investorenschutz und das Vertrauen der Geldgeber in die Integrität der Kapitalmärkte zu stärken, bei denen es sich um unverzichtbare Elemente starker Kapitalmärkte handelt. Entstanden ist allerdings ein Bürokratiemonster, das viele Unternehmen vor einem Börsengang zurückschrecken lässt. An der Börse notierte Unternehmen stöhnen unter dem immensen bürokratischen Aufwand und den rechtlichen Risiken, die mit den Regeln verbunden sind.
Kapitalmarktvorschriften für Börsengang und Börsennotiz entschlacken
Eine besonders relevante Baustelle ist hierbei das Prospektrecht. Die Erstellung des Prospekts ist ein wesentlicher Kostenblock des Börsengangs und nachfolgenden Kapitalerhöhungen. Daher sollte beispielsweise nach dem Börsengang die Prospektfreiheit für weitere Finanzierungsrunden erhöht werden.
Ebenfalls muss die Marktmissbrauchsverordnung überarbeitet werden. Hier geht es bei der Ad-hoc-Publizität darum, dass vertrauliche Informationen nicht zu früh im Markt bekannt gegeben werden müssen. Das bedroht die Interessen der Emittenten an strategischer Entwicklung und geordneten Entscheidungsprozesse – etwa im Fall von Unternehmenskäufen und -verkäufen.
Darüber hinaus sollte die Europäische Kommission prüfen, ob sie wie im US-JOBS-Act eine Eingewöhnungsphase für Wachstumsunternehmen einführt, um den Einstieg an der Börse zu erleichtern.
Weitergehende Initiativen zur Stärkung des Kapitalmarktes erforderlich
Regulierung ist viel, aber nicht alles. Der Listing-Act muss um weitere Initiativen ergänzt werden. Damit Unternehmen wachsen und die vor ihnen liegenden Herausforderungen, wie Digitalisierung und Umstellung auf Klimaneutralität, meistern können, braucht es viel Kapital. Dieses sollte insbesondere auch von der Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden. Wie das geht, zeigen beispielsweise die USA. Dort werden immense Mengen an Kapital über die Altersvorsorge für den Kapitalmarkt mobilisiert. Finanzkräftige Pensionsfonds stecken diese Gelder zum Teil auch in die einheimische Wirtschaft.
Wie in den USA brauchen wir beispielsweise in Deutschland eine aktienbasierte Altersvorsorge, um den Kapitalmarkt und die Finanzierung von Wagniskapital zu stärken. Auch wenn die Ausgestaltung des Altersvorsorgesystem bei den Mitgliedstaaten liegt, sollte die EU-Kommission bei diesen Mitgliedstaaten für mehr Aktien in der Altersvorsorge werben. Zudem sollte sie sich weiter für eine bessere finanzielle Bildung der Bürger in der EU einsetzen.
Fazit
Die Vorschläge der EU-Kommission im EU-Listing-Act gehen grundsätzlich in die richtige Richtung. Jetzt gilt es, die richtige Balance zwischen dem Interesse der Anleger an Transparenz und dem der Unternehmen an einem attraktiven Finanzierungsweg herzustellen. Wenn dies gelingt und in den Mitgliedstaaten über eine aktienbasierte Altersvorsorge mehr Kapital in die Unternehmensfinanzierung fließt, steht der Attraktivität des europäischen Kapitalmarktes nichts mehr im Wege.
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Kapitalmarktfinanzierung

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Dr. Norbert Kuhn
Leiter Unternehmensfinanzierung
Stellvertretender Leiter Fachbereich Kapitalmärkte
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