Kolumne
Kapitalmärkte als Hebel für Europas Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Transformation
Im Juni stimmen die Bürgerinnen und Bürger der EU bei der Europawahl über die Zusammensetzung des neuen EU-Parlaments ab. Das neu gewählte Parlament und die nächste EU-Kommission haben große wirtschaftliche Herausforderungen wie die Sicherung der globalen Wettbewerbsfähigkeit sowie die digitale und nachhaltige Transformation zu bewältigen. Damit dies gelingt, sind Reformen in drei Bereichen wichtig: eine deutliche Reduzierung der Bürokratie und eine bessere und effizientere Rechtssetzung, eine Modernisierung des Kapitalgesellschaftsrechts und die Stärkung der Aktienkultur. Dies sind die Kernpunkte unseres Europapapiers „Getting Europe Back on Track. Leveraging Capital Markets to regain and ensure Europe’s global Competitiveness“.
Unternehmen in der EU sehen sich mit gewaltigen wirtschaftlichen Herausforderungen bei zunehmender Regulierung konfrontiert. So müssen sie in den kommenden Jahren nicht nur die nachhaltige, sondern auch die digitale Transformation bewältigen und in Innovationen und Zukunftstechnologien investieren. Die EU-Institution sollten die Unternehmen hierbei unterstützen anstatt eines Übermaßes an Regulierungen und unflexible Rechtsrahmen als zusätzliche Hürden aufzustellen. Das mindert die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der EU. „Cutting red tape“ sollte die Devise lauten.
Zu diesen bürokratischen Hürden zählen etwa die Berichterstattungspflichten im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und den europäischen Nachhaltigkeitsberichtsstandards ESRS. Letztere umfasst mehr als 800 Datenpunkte. Es stellt sich die Frage, ob die Prüfung und Erfüllung dieser engmaschigen Standards dem Ziel einer nachhaltigeren Wirtschaft immer so dienlich sind oder ob prinzipienbasierte Regulierungen nicht praxistauglicher wären. Anstatt granulare Vorgaben zu prüfen und zu diesen zu berichten könnten sich Unternehmen mehr auf die Entwicklung nachhaltiger Innovationen konzentrieren.
Das Kapital wandert ab
Eine überarbeitete Kapitalmarktregulierung würde zudem eine verbesserte Unternehmensfinanzierung ermöglichen. Die „Twin Transition“ hin zu einer nachhaltigen und digitalen Wirtschaft erfordert immense Investitionen. Eine öffentliche Finanzierung genügt hier nicht, es braucht den Kapitalmarkt. Um diesen in Europa attraktiver zu gestalten, ist eine Reform des Kapitalgesellschaftsrechts notwendig. Derzeit ziehen viele europäische Unternehmen einen Börsengang in anderen Regionen wie den USA vor, da dort die Kapitalmärkte besser entwickelt sind und einen flexibleren Rechtsrahmen bieten.
Eine mögliche Lösung könnte hier eine „echte“ europäische Kapitalgesellschaftsform als Angebot für die Unternehmen schaffen. Anders als die bereits existierende Societas Europaea (SE) sollte diese aber keinerlei Öffnung für mitgliedstaatliches Recht enthalten. Es bleibt zu hoffen, dass die neue EU-Kommission sich der Entwicklung einer solchen Rechtsform annimmt, ebenso wie einer allgemeinen Stärkung der Aktienkultur in Europa.
Gemeinsame Lösungen für eine Win-Win-Situation
Im besten Fall wäre eine Win-Win-Situation möglich: Würde die Kommission die Menschen in Europa ermutigen, die Kapitalmärkte zu Vorsorgezwecken zu nutzen, könnte man zum einen die Folgen des demografischen Wandels abfedern. Zum anderen stünde mehr Kapital bereit, um die digitale und nachhaltige Transition zu finanzieren.
Das sind mit Sicherheit keine einfachen, kurzfristig erreichbaren Ziele. Dennoch ist es entscheidend, dass die kommende EU-Kommission diese angeht. Das gelingt am besten, wenn die EU-Institutionen in den Dialog mit der Wirtschaft gehen und gemeinsame Lösungen gesucht werden. „Teamplay“ ist gefragt, denn nur gemeinsam sind wir stark. Wir stehen für einen Dialog bereit.
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Finanzmarktregulierung und Realwirtschaft
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