Column
Im internationalen Vergleich sind Börsengänge in Deutschland rar gesät. Vor allem viele junge, deutsche Wachstumsunternehmen haben auf der Suche nach Kapital ihr Börsenglück zuletzt an den amerikanischen Börsen gefunden. Wieso ist das so und was muss die Politik tun, um die börsliche und vorbörsliche Finanzierung in Deutschland für Unternehmen attraktiver zu gestalten?
An einem Donnerstag im Oktober 2019 feierte das vermutlich nur Biotechnologie-Experten bekannte Unternehmen BioNTech seinen Börsengang. In weniger als zwei Jahren sollte die Speerspitze im Kampf gegen das Coronavirus in aller Munde sein. Allerdings ging das Mainzer Unternehmen nicht in Deutschland an die Börse sondern an der Nasdaq in den USA. Warum?
Wir sind dieser Frage in unserer aktuellen Studie „Auslandslistings von BioNTech, CureVac & Co. – Handlungsempfehlungen an die Politik für mehr Börsengänge in Deutschland“ nachgegangen, die wir gemeinsam mit der Wirtschaftskanzlei RITTERSHAUS erarbeitet haben. Die Studie beruht auf Interviews mit Vertretern von Unternehmen mit einer Börsennotiz im Ausland und zeigt deutlichen Handlungsbedarf.
Deutschland fehlt ein leistungsfähiges Ökosystem Kapitalmarkt
Der Befund ist eindeutig: Deutsche Unternehmen gehen vor allem deshalb in den USA an die Börse, weil ihnen dort deutlich mehr Kapital zur Unternehmensfinanzierung zur Verfügung steht. Wegen dieser Kapitalbasis konnte sich in den USA in der Vergangenheit ein leistungsfähiges Ökosystem Kapitalmarkt herausbilden. Dazu gehören finanzstarke Investoren, die mit ihrer Expertise das Potenzial der Börsenkandidaten einschätzen können und sich auf kleinere Emissionen von Wachstumsunternehmen spezialisiert haben. Zudem gibt es dort Emissionsbanken und fachkundige Analysten, die den Börsengang von Unternehmen unabhängig von Branche und Größe begleiten können. Tatsache ist, dass es in Deutschland kein vergleichbares Ökosystem gibt. Deutschland ist mit Blick auf die Finanzierung junger Wachstumsunternehmen ein Entwicklungsland. Wie kann die Politik das ändern?
Was die nächste Bundesregierung anpacken muss
Um Deutschland mit Blick auf die Finanzierung von Wachstumsunternehmen besser aufzustellen, empfehlen wir auf Basis der Interviewergebnisse der nächsten Bundesregierung folgende Maßnahmen:
Als Kickstart des Ökosystems Kapitalmarkt ist die Einführung eines Ansparverfahrens mit Aktien in der deutschen Altersvorsorge erforderlich. Über finanzstarke Pensionsfonds wird den Unternehmen dann mehr Anlage- und Finanzierungsvolumen über den Kapitalmarkt zur Verfügung gestellt, wie es beispielsweise in den USA und Schweden der Fall ist.
Das deutsche Aktienrecht muss stärker auf die Bedürfnisse von Wachstumsunternehmen zugeschnitten werden. Nur so lässt sich verhindern, dass diese in ausländische Rechtsformen wie beispielsweise die niederländische N.V. flüchten müssen, die ihnen zum Beispiel beim Bezugsrechtsausschluss und der Höhe des genehmigten Kapitals größere Flexibilität einräumt.
Veräußerungsgewinne von Aktiengeschäften sollten beispielsweise wie vor 2009 und wie heute noch bei anderen Anlagen wie Gold oder auch Bitcoins nach einem Jahr steuerfrei vereinnahmt werden können, um den Aktienbesitz steuerlich gleich zu stellen.
Jungen Wachstumsunternehmen sollte der Einstieg als börsennotiertes Unternehmen erleichtert werden, indem sie in den Anfangsjahren weniger kapitalmarktrechtliche Pflichten erfüllen müssen. In den USA gilt das bereits, Länder wie Großbritannien denken laut über eine ähnliche Regelung nach.
Ausblick
Unsere Studie zeigt, dass die Politik den Finanzplatz Deutschland mit klugen Weichenstellungen für junge Wachstumsunternehmen attraktiver machen kann. Die nächste Bundesregierung muss zeitnah handeln, damit hierzulande Ideen finanziert und aus ihnen zukunftsstarke Unternehmen wachsen können. Konkurrenzfähige Unternehmen in wichtigen Zukunftstechnologien stärken den Wirtschaftsstandort Deutschland und sichern Arbeitsplätze für kommende Generationen.
Kolumne
Ihr Ansprechpartner
Dr. Norbert Kuhn
Leiter Unternehmensfinanzierung
Stellvertretender Leiter Fachbereich Kapitalmärkte
Tel.+49 69 92915-20
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