Kolumne
Mehr Ehrgeiz bei der Aktienrente nötig
Die Bundesregierung will die geplante Aktienrente zur Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung in Angriff nehmen. Dr. Norbert Kuhn, Stellvertretender Leiter Fachbereich Kapitalmärkte und Leiter Unternehmensfinanzierung des Deutschen Aktieninstituts, erklärt in unserer Kolumne, warum Aktien für die Altersvorsorge wichtig sind, was hinter der Idee der Aktienrente steckt und wie die nächsten Schritte aussehen sollten:
Was ist das Problem der Altersvorsorge in Deutschland?
In Deutschland setzen wir bei der Altersvorsorge noch zu sehr auf die gesetzliche Rente. Diese ist als Umlageverfahren ausgestaltet, bei dem die Beiträge der Arbeitnehmenden direkt zu den Menschen fließen, die sich im Ruhestand befinden. Geburtenschwache Jahrgänge und steigende Lebenserwartungen drohen das System an seine Grenzen zu bringen. Kommen heute im Schnitt 1,8 Beitragszahlende für die Rente einer Person auf, sind es im Jahr 2050 voraussichtlich nur noch 1,3. Wir müssen uns von diesen demographischen Risiken unabhängiger machen und die gesetzliche Rente um ein Ansparverfahren mit Aktien ergänzen.
Warum Aktien in der Altersvorsorge?
Unser Renditedreieck zeigt, dass Aktien ein ideales Instrument der Altersvorsorge sind. Wer langfristig Monat für Monat Geld in ein DAX-Portfolio anlegte, konnte mit einem Sparplan über zwanzig Jahre durchschnittliche Erträge von über acht Prozent pro Jahr erzielen.
Was versteht man unter „Aktienrente“? Gibt es Vorbilder?
Das Konzept der Aktienrente wurde von der Bundestagsfraktion der FDP entwickelt. Vorbild ist die schwedische Prämienrente. Seit mehr als 20 Jahren legen die Schweden 2,5 Prozentpunkte ihres Beitrags zur gesetzlichen Rente von insgesamt 18,5 Prozent vorwiegend am Aktienmarkt an. Die FDP hat vorgeschlagen, dass die Versicherten zwei Prozentpunkte der 18,6 Prozent, die sie derzeit als Beitrag in die gesetzliche Rente einzahlen, überwiegend am Aktienmarkt anlegen.
Hat sich das schwedische Modell der Aktienrente bewährt?
In Schweden sind Aktien eine wesentliche Stütze der Altersvorsorge. Der schwedische Standardfonds AP 7 Safa, der ein wichtiger Teil der schwedischen Aktienrente ist, investiert 90 Prozent der Altersvorsorgegelder in Aktien. Mit großem Erfolg: In den letzten zehn Jahren konnten Erträge von mehr als zehn Prozent jährlich erwirtschaftet werden. Und das, obwohl in diesen Zeiten die Börsen aufgrund der Covid-19-Pandemie und des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine gleich zweimal stark abrutschten. Diese Aktienorientierung hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Schweden bei globalen Rankings zum Pro-Kopf-Geldvermögen mit knapp 200.000 Euro regelmäßig auf den ersten Plätzen landen. Deutschland bringt es mit nicht einmal 100.000 Euro gerade einmal auf die Hälfte.
Wie sieht das Konzept der Bundesregierung aus?
Aus der ursprünglich von der FDP vorgeschlagenen Aktienrente ist eine Aktienrücklage geworden. In einem ersten Schritt soll in 2023 mit zehn Milliarden Euro der Grundstein für einen Kapitalstock in der gesetzlichen Rente gelegt werden. Die Erträge aus dem Kapitalstock sollen dazu beitragen, Beiträge und Rentenniveau langfristig zu sichern. Das ist dringend notwendig, denn schon jetzt muss der Bund mit Steuermitteln von mehr als 100 Milliarden Euro das Defizit in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgleichen. Bis 2060 werden sich diese Zuschüsse nochmals mehr als verdoppeln, um auch nur ansatzweise das heutige Beitrags- und Rentenniveau halten zu können.
Reichen die im Bundeshaushalt 2023 eingestellten Mittel in Höhe von zehn Milliarden Euro für den Aufbau eines Kapitalstocks? Wenn nein, wieviel Geld brauchen wir um genügend Mittel zur Entlastung der Rentenkasse zu generieren?
Um beim Beispiel Schweden zu bleiben: Dort kommen jährlich rund 4,2 Milliarden Euro in der Prämienrente zusammen – wohlgemerkt leben in Schweden etwas mehr als zehn Millionen Menschen, in Deutschland hingegen über 80 Millionen. Eine Einmalanlage von zehn Milliarden Euro kann daher nichts anderes als ein Aufbruchssignal sein. Daher sollten mindestens zehn Milliarden Euro jährlich am Aktienmarkt angelegt werden. Noch besser wäre es das schwedische Modell zum Vorbild zu nehmen: Mit zwei Prozentpunkten der gesetzlichen Rente würden mehr als 29 Milliarden Euro pro Jahr an den Aktienmarkt fließen.
Bis wann lässt sich realistischerweise ein Kapitalstock aufbauen, der zur Entlastung der Rentenkassen beitragen kann?
Damit der Zinseszins die Aktienanlage auf Touren bringen kann, braucht es Zeit und möglichst hohe jährliche Sparraten. Dies soll ein Beispiel verdeutlichen: Um bei einer Verzinsung von sechs Prozent einen Ertrag von 100 Milliarden Euro zu erwirtschaften, was den derzeitigen Steuerzuschüssen zur gesetzlichen Rente entspricht, ist ein Kapitalstock von 1,67 Billionen Euro notwendig. Dieser Kapitalstock wird nun ab 2023 mit Sparraten von jährlich zehn Milliarden Euro bei sechs Prozent Erträgen aufgebaut. Um die 1,67 Billionen Euro zu erreichen, müssten wir fast 40 Jahre, bis 2062 warten. Schneller geht es mit jährlich 29 Milliarden Euro. Ein Kapitalstock von 1,67 Billionen Euro wäre bereits im Jahr 2047 verfügbar.
Ist der angedachte Staatsfonds zur Verwaltung des Kapitalvermögens der richtige Ansatz?
In Ländern wie etwa Schweden, den USA oder Australien werden die Altersvorsorgegelder auf Konten aufbewahrt, die dem jeweiligen Bürger oder der jeweiligen Bürgerin zugeordnet sind. Damit ist nachvollziehbar, wie hoch die Ersparnisse zum jeweiligen Zeitpunkt sind. Eine Entnahme der Gelder ist nur durch den Kontobesitzer oder die Kontobesitzerin möglich. Die kapitalgedeckte Altersvorsorge in den USA und Australien wird zudem ausschließlich durch private Anbieter angelegt und verwaltet. Bei der reinen Staatsfondslösung ist dagegen zu befürchten, dass die Gelder gerade in Zeiten knapper Haushaltsmittel anderen Zwecken zufließen, wenn es der Politik opportun erscheint. Dies muss unbedingt verhindert werden.
Wie sollten die nächsten Schritte der Bundesregierung aussehen?
Die jährlichen Einzahlungen dürfen kein One-Hit-Wonder bleiben, sondern müssen ein Evergreen werden. Die Aktienrücklage muss jährlich mit mindestens zehn Milliarden Euro gefüttert werden. Es wäre aber dringend mehr nötig. Um die oben angesprochenen Probleme des Staatsfonds zu lösen, muss die Politik perspektivisch zu einem Modell wechseln, bei dem die Bürger und Bürgerinnen mit eigenen Beiträgen auf eigene Konten für ihre Altersvorsorge mit Aktien ansparen.
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Dr. Norbert Kuhn
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Stellvertretender Leiter Fachbereich Kapitalmärkte
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